Am 19.03.2013 verkündete der auch für das Kapitalanlagerecht zuständige XI. Zivilsenat des BGH ein Urteil (Aktenzeichen: XI ZR 431/11) zur Schadensersatzklage einer Anlegerin, die aufgrund Beratung eines Wertpapierdienstleistungsunternehmens zahlreiche Käufe von Inhaberschuldverschreibungen, Inhaberaktien und Genußscheinen über die beklagte Direktbank, bei der es sich nach Medienberichten um die DAB bank AG aus München handeln soll, getätigt hatte. |
| Das Geschäftsmodell der früheren Mitbeklagten, der Accessio Wertpapierhandelshaus AG, hatte ein bei der beklagten Direktbank geführtes sog. Zins-Plus-Konto zum Ausgangspunkt. Es handelte sich um ein Tagesgeldkonto mit der deutlich über dem damaligen Marktzins liegenden jährlichen Verzinsung von 4,5 %. Das Tagesgeldkonto war zwingend mit einem ebenfalls von der Beklagten geführten Depotkonto zur Einbuchung von Wertpapieren gekoppelt. Angelockt durch die hohen Zinsen leisteten über die Jahre mehrere zehntausend Kunden Einlagen auf Zins-Plus-Konten. Nach Kontoeröffnung wurden die Anleger planmäßig durch Berater der Accessio kontaktiert, die ihnen zum Kauf von komplexen Finanzinstrumenten rieten, aus denen dann fast immer hohe Verluste resultierten. Zwischen der anlageberatenden Accessio und der kontoführenden Beklagten bestand eine Rahmenvereinbarung, die auch vorsah, daß die Beklagte im Innenverhältnis nur den Marktzins zu zahlen und die Accessio der Beklagten die Differenz zu dem an die Kunden zu zahlenden, deutlich höheren Zins zu erstatten hatte. Im wirtschaftlichen Ergebnis subventionierte die Accessio also zum Zweck der Kundengewinnung die hohen Zinsen des als "Lockvogelangebot" dienenden Zins-Plus-Kontos.
In den Tatsacheninstanzen wiesen das LG Itzehoe und das OLG Schleswig die auf Zahlung von EUR 46.059,78 gerichtete Schadensersatzklage der Anlegerin ab. Die hiergegen gerichtete Revision der Klägerin war erfolgreich. Der BGH hob das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG Schleswig zurück. Im ersten Teil der Urteilsbegründung hebt der BGH hervor, daß bei Abschluß von Wertpapiergeschäften zwischen einem Anleger und einer Direktbank, die ausschließlich Execution-only-Dienstleistungen als Discount-Brokerin anbietet, regelmäßig kein stillschweigend geschlossener Anlageberatungsvertrag zustande kommt. Darüber hinaus komme eine Zurechnung von Beratungsfehlern eines vom Anleger mit seiner Beratung beauftragten selbständigen Wertpapierdienstleistungsunternehmens über § 278 BGB nicht in Betracht, weil die Beratung nicht zum Pflichtenkreis einer Direktbank gehöre. Im Gegensatz zum Berufungsurteil hält der BGH aber eine der Beklagten anzulastende, haftungsbewehrte Verletzung einer Warnpflicht als Nebenpflicht (§ 241 Abs. 2 BGB) der von ihr erbrachten Execution-only-Dienstleistung für möglich. Denn eine derartige Warnpflicht könne eingreifen, falls die kundenfernere Direktbank eine Fehlberatung des Kunden durch das zwischengeschaltete Wertpapierdienstleistungsunternehmen, also hier durch die Accessio, entweder positiv kenne oder wenn eine solche Fehlberatung aufgrund massiver Verdachtsmomente zumindest objektiv evident sei.
Das OLG Schleswig wird bei der neuen Verhandlung der Sache den Zeugen vernehmen müssen, den die geschädigte Anlegerin für die Richtigkeit ihrer Behauptung benannt hatte, der beklagten Direktbank sei eine systematische Fehlberatung der Anleger durch die Accessio bekannt gewesen. Sollte als Ergebnis dieser Zeugenaussage aus Sicht des Berufungsgerichts offenbleiben, ob die Beklagte tatsächlich positive Kenntnis von einer Fehlberatung hatte oder ob sich ihr der Verdacht einer Fehlberatung aufgrund massiver Verdachtsmomente zumindest aufdrängen mußte, wird dies allerdings zu Lasten der Anlegerin gehen. Der BGH legte dem Kapitalanleger insoweit nach allgemeinen Grundsätzen die Darlegungs- und Beweislast auf. Diese relativ hohe Hürde werden Anleger somit in der Praxis zu überwinden haben, wenn sie eine Direktbank bzw. einen Discount-Broker für die fehlerhafte Anlageberatung eines zwischengeschalteten Beratungsunternehmens erfolgreich in die Haftung nehmen wollen. Auf die in der BGH-Rechtsprechung für die Haftung einer kreditgebenden Bank infolge eines konkreten Wissensvorsprungs bejahte Beweiserleichterung bei institutionalisiertem Zusammenwirken können sich die Anleger demgegenüber nicht berufen, weil diese Beweiserleichterung auf die Zusammenarbeit zweier selbständiger Wertpapierdienstleistungsunternehmen nach Auffassung des BGH nicht übertragbar ist.
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