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Bundesgerichtshof zum Widerruf von Fondsbeteiligungen

Am 18.03.2014 verkündete der BGH ein anlegerfreundliches Urteil (Aktenzeichen: II ZR 109/13) zur Frage des Widerrufs von Fondsbeteiligungen, wonach der Gesellschaftsbeitritt unter bestimmten Umständen widerrufbar ist. Insbesondere ist der Hinweis auf die konkreten Widerrufsfolgen nur dann entbehrlich, wenn nach der tatsächlichen Vertragsgestaltung ausgeschlossen ist, dass der Verbraucher schon vor Ablauf der Widerrufsfrist Zahlungen leistet.

Die Kläger beteiligten sich im März 2004 mit 18.000 Euro als atypische stille Gesellschafter an einer KG, deren Rechtsnachfolgerin die Beklagte ist. Sie leisteten auf ihre Beteiligung insgesamt 7.820 Euro zzgl. eines Agios von 1.080 Euro. Der Zeichnungsschein der Beklagten enthält folgende „Widerrufsbelehrung“:

„Widerrufsrecht. Sie können Ihre Beitrittserklärung innerhalb von zwei Wochen ohne Angabe von Gründen in Textform (z. B. Brief, Fax, Email) widerrufen. Die Frist beginnt einen Tag, nachdem Sie diese Belehrung, eine Abschrift Ihrer Beitrittserklärung sowie den atypisch stillen Gesellschaftsvertrag (im Emissionsprospekt enthalten) erhalten haben. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs. Der Widerruf ist zu richten an: ...

Widerrufsfolgen: Im Falle eines wirksamen Widerrufs sind die beiderseits empfangenen Leistungen zurückzugewähren und ggf. gezogene Nutzungen (z. B. Zinsen) herauszugeben. Können Sie uns die empfangene Leistung ganz oder teilweise nicht oder nur in verschlechtertem Zustand zurückgewähren, müssen Sie uns insoweit ggf. Wertersatz leisten.“

Im Juli 2009 informierte die Beklagte die Kläger über eine Schieflage der Gesellschaft. Im September 2009 erklärten die Kläger die außerordentliche Kündigung sowie die Anfechtung ihrer Beteiligung und die Geltendmachung von Schadensersatz. Vor allem haben die Kläger die Widerrufsbelehrung in der Beitrittserklärung als fehlerhaft beanstandet und sich auf einen Widerruf ihrer in einer Haustürsituation abgeschlossenen Beteiligung berufen, der mangels ordnungsgemäßer Belehrung über ihr Widerrufsrecht auch noch im Jahr 2009 habe erfolgen können.

Der BGH hat das anlegerunfreundliche Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das OLG zurückverwiesen. Die Frist für die Ausübung des Widerrufsrechts der Kläger gemäß § 312 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 355 BGB a. F. sei im Jahr 2009 nicht abgelaufen gewesen. Die Widerrufsbelehrung genüge weder den Anforderungen von § 312 Abs.1 Satz 1 und Abs. 2, § 355 Abs. 2 BGB a. F. noch den Voraussetzungen, unter denen sich der Verwender einer Widerrufsbelehrung auf die Schutzwirkung berufen kann. Die von der Beklagten erteilte Widerrufsbelehrung genügte schon deshalb nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil ein wirksamer Widerruf nach dem Vollzug des Beitritts zur Anwendung der Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft und damit allenfalls zu einem etwaigen Abfindungsanspruch des fehlerhaft beigetretenen Gesellschafters entsprechend dem Wert seines Gesellschaftsanteils im Zeitpunkt seines Ausscheidens führt, die Widerrufsbelehrung aber keinen Hinweis auf diese rechtlichen Folgen des Widerrufs enthält. Ein solcher Hinweis war nicht deshalb entbehrlich, weil die Kläger nach der konkreten Vertragsgestaltung Zahlungen erst nach Ablauf der Widerrufsfrist leisten mussten. Es kommt nicht darauf an, ob vertragliche Leistungen nach der von der Beklagten beabsichtigten Vertragsgestaltung ausgeschlossen sein sollten, sondern ob sie nach der tatsächlichen Vertragsgestaltung auch ausgeschlossen waren. Das war vorliegend nicht der Fall, weil die Kläger berechtigt waren, Zahlungen bereits vor dem festgelegten Fälligkeitstermin und damit auch vor Ablauf der Widerrufsfrist zu entrichten und damit ihren Beitritt zu vollziehen. Ob ein solches Verhalten der Kläger nahelag, ist unerheblich. Im Übrigen geht die von der Beklagten verwendete Widerrufsbelehrung selbst davon aus, dass Leistungen vor Ablauf der Widerrufsfrist in Betracht kamen; andernfalls hätte es nicht des in der Belehrung enthaltenen Hinweises bedurft, dass im Falle eines wirksamen Widerrufs bereits empfangene Leistungen zurückzugewähren seien. Wegen Fehlens einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung ist die Widerrufsfrist von zwei Wochen nicht nach § 355 Abs. 2 BGB a. F. in Gang gesetzt worden.

Die Belehrung genügt auch nicht den gesetzlichen Anforderungen. Eine Belehrung über das Widerrufsrecht genügt den Anforderungen des § 355 Abs. 2 BGB a. F. und den diesen ergänzenden Vorschriften des BGB, wenn das Muster der Anlage 2 in Textform verwandt wurde. Nach ständiger BGH-Rechtsprechung greift die Schutzwirkung grundsätzlich nur ein, wenn der Verwender ein Formular verwendet, das dem Muster sowohl inhaltlich als auch in der äußeren Gestaltung vollständig entspricht. Bei vollständiger Verwendung kann sich der Verwender auf die sogenannte Gesetzlichkeitsfiktion auch dann berufen, wenn das Muster fehlerhaft ist und den gesetzlichen Anforderungen des § 355 Abs. 2 BGB a. F. an eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung nicht genügt.

Die von der Beklagten verwendete Widerrufsbelehrung entspricht dem Muster nicht vollständig. Sie weicht in dem über den Fristbeginn belehrenden Teil von dem Muster ab, indem anstelle des Fristbeginns nach dem Muster („frühestens mit Erhalt dieser Belehrung“) über einen Fristbeginn „einen Tag, nachdem Sie diese Belehrung, eine Abschrift Ihrer Beitrittserklärung sowie den atypisch stillen Gesellschaftsvertrag (im Emissionsprospekt enthalten) erhalten haben“ belehrt wird. Sie ist nicht deshalb unerheblich, weil die Beklagte damit nur weitere zutreffende Zusatzinformationen aufgenommen habe und daher nur zugunsten des Belehrungsempfängers vom Muster abgewichen sei. Der Senat hat es zwar als unschädlich angesehen, wenn der Verwender den in dem Muster fehlerhaft wiedergegebenen Fristbeginn dem Gesetz angepasst hat. Die von der Beklagten vorgenommenen Änderungen erschöpfen sich jedoch nicht in der Anpassung der Belehrung über den Fristbeginn an die einschlägige gesetzliche Regelung. Die Widerrufsbelehrung der Beklagten enthält darüber hinausgehend inhaltliche Änderungen der Belehrung nach dem Muster, indem der Fristbeginn nicht nur mit dem Tag nach Zugang der Belehrung angegeben, sondern zusätzlich von weiteren Voraussetzungen abhängig gemacht wird, nämlich von dem Zugang einer Abschrift der Beitrittserklärung und des Gesellschaftsvertrags. Unterzieht der Verwender den Text der Musterbelehrung aber einer eigenen inhaltlichen Bearbeitung, so kann er sich schon deshalb nicht auf eine mit der unveränderten Übernahme der Musterbelehrung verbundene Schutzwirkung berufen. Das gilt unabhängig vom konkreten Umfang der von ihm vorgenommenen inhaltlichen Änderungen, da sich schon mit Rücksicht auf die Vielgestaltigkeit möglicher individueller Veränderungen des Musters keine verallgemeinerungsfähige bestimmte Grenze ziehen lässt, bei deren Einhaltung eine Schutzwirkung noch gelten und ab deren Überschreitung sie bereits entfallen soll.

Eine inhaltliche Bearbeitung der Musterbelehrung ist daher im vorliegenden Fall unabhängig davon gegeben, ob mit dem zusätzlich in die Belehrung aufgenommenen Hinweis, dass die Widerrufsfrist erst mit Zugang einer Abschrift der Vertragsurkunde und des Antrags beginnt, möglicherweise der Regelung des § 355 Abs. 2 Satz 3 BGB a. F. Rechnung getragen werden sollte, nach der die Widerrufsfrist bei schriftlich abzuschließenden Verträgen nicht beginnt, bevor dem Verbraucher auch eine Vertragsurkunde, sein schriftlicher Antrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Antrags zur Verfügung gestellt wird. Der Abschluss eines stillen Gesellschaftsvertrags bedarf ebenso wie der Beitritt zu einer schon bestehenden stillen Gesellschaft nicht von Gesetzes wegen der Schriftform, sondern kann formfrei und sogar stillschweigend vereinbart werden. Den Fragen, ob die Regelung des § 355 Abs. 2 Satz 3 BGB a. F. nur die gesetzliche Schriftform betrifft oder ob sie auch bei vereinbarter Schriftform eingreift und ob der Beitrittsvertrag im vorliegenden Fall aufgrund vertraglicher Vereinbarung der Schriftform bedurfte, braucht nicht nachgegangen zu werden. Denn mangels eines gesetzlichen Schriftformerfordernisses beschränkte sich die Ergänzung der Musterbelehrung insoweit jedenfalls nicht auf die Vornahme einer bloßen Korrektur durch Übernahme einer für alle Fallgestaltungen gesetzlich vorgegebenen Fristberechnung, sondern es handelte sich allenfalls um eine aufgrund der konkreten Fallgestaltung (vertraglich vereinbarte Schriftform) für erforderlich erachtete individuelle Anpassung der Widerrufsbelehrung. Ein Verwender, der die Musterbelehrung in dieser Weise abändert und dessen Widerrufsbelehrung in der abgeänderten Form den gesetzlichen Anforderungen – hier: weil sie nicht darauf hinweist, dass sich die rechtlichen Folgen des Widerrufs nach den Grundsätzen der fehlerhaften Gesellschaft richten können – nicht genügt, ist nicht schutzwürdig.

Nach alledem können Kapitalanleger Ihre Fondsbeteiligungen nach dem Haustürwiderrufsrecht widerrufen. Der Bundesgerichtshof korrigierte somit die anlegerunfreundliche OLG-Rechtsprechung. Das Urteil des BGH ist bemerkenswert und wird kaum abschätzbare Konsequenzen für die Branche der geschlossenen Fonds haben. Nach unseren Erfahrungen gibt es fast keine Fondsgesellschaft, welche die Rückabwicklungsfolgen in den Widerrufsbelehrungen fehlerfrei vorgenommen hat. Das dürfte zukünftig auch im Bereich der Fondsbeteiligungen - wie im Bereich der Immobilenkredite - zu einer Widerrufswelle ungeahnten Ausmaßes führen.

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