Recht der freien Berufe

Berufsrecht der freien Berufe

Das Berufsrecht der freien Berufe regelt den Zugang zum Beruf und die Berufsausübung von Ärzten, Apothekern, Architekten, Notaren, Rechtsanwälten, Steuerberatern, Tierärzten, Wirtschaftsprüfern, Zahnärzten und Angehörigen anderer freier Berufe. Am intensivsten in Berührung mit ihrem Berufsrecht kommen Freiberuflicher zumeist, wenn sie Beteiligter in einem Verfahren bei einem der in Deutschland bestehenden Berufsgerichte werden.

Im Folgenden soll ein praxisorientierter Überblick über wesentliche Gesichtspunkte der verschiedenen Berufsgerichtsbarkeiten in Deutschland gegeben werden.

I. Verfassungsrechtlicher Rahmen

Den verfassungsrechtlichen Rahmen für alle Berufsgerichtsbarkeiten in Deutschland bildet das im Mai 1949 in Kraft getretene Grundgesetz. Fundamental ist sein Artikel 20 Absatz 2. Dort ist im Sinne der Gewaltenteilung festgelegt, dass die Staatsgewalt in der Bundesrepublik Deutschland durch voneinander getrennte Organe der Gesetzgebung, der Verwaltung und der Rechtsprechung ausgeübt wird. Daraus leitet man ab, dass auch die Berufsgerichte, die bis Ende des letzten Jahrhunderts noch Ehrengerichte hießen, von den berufsständischen Verwaltungen, also den Ärzte-, Apotheker- und Zahnärztekammern, Architektenkammern, Rechtsanwalts- und Notarkammern, Steuerberater- und Wirtschaftsprüferkammern usw. organisatorisch und personell streng getrennt und unabhängig sein müssen. Diese Trennung und Unabhängigkeit der Berufsgerichte von den berufsständischen Kammern ist als verfassungsrechtlich gebotene Prämisse heutzutage durchgehend gesetzlich sichergestellt.

Bei allen Berufsgerichten handelt es sich um durch Gesetz konstituierte „Gerichte für besondere Sachgebiete“ im Sinne von Artikel 101 Absatz 2 des Grundgesetzes. Das ist deshalb wichtig, weil Artikel 101 Absatz 1 des Grundgesetzes, als Antwort auf die Sondergerichte der NS-Zeit, Ausnahmegerichte ausdrücklich verbietet.

Berufsgerichte sind durchweg staatliche Gerichte. Das bedeutet, dass sie entweder als unmittelbare Staatsgerichtsbarkeit einem staatlichen Gericht direkt angegliedert sind oder als mittelbare Staatsgerichtsbarkeit in eigener Trägerschaft einer berufsständischen Kammer errichtet werden. Als Beispiele für unmittelbare Staatsgerichtsbarkeit können die beiden in Nordrhein-Westfalen als erste Instanz den Verwaltungsgerichten in Köln und Münster angegliederten Berufsgerichte für Heilberufe genannt werden. Anders ist die Organisationsform der heilberuflichen Gerichte beispielsweise in Baden-Württemberg. Dort befinden sich die sogenannten Bezirksberufsgerichte als mittelbare Staatsgerichtsbarkeit in der Trägerschaft der jeweiligen regionalen Bezirksärztekammer.

II. Aufbau der Berufsgerichtsbarkeiten

Typisch für den Aufbau der Berufsgerichtsbarkeiten, wie auch für die Zivil- und Strafrechtspflege der ordentlichen Gerichtsbarkeit, ist die Gliederung der Gerichte in zwei oder sogar drei Rechtszüge, also in verschiedene, aufeinander folgende Instanzen. Bei den Steuerberatern entscheidet zum Beispiel im ersten Rechtszug eine beim örtlichen Landgericht gebildete Kammer für Steuerberater- und Steuerbevollmächtigtensachen. Im zweiten Rechtszug ist ein Senat für Steuerberater- und Steuerbevollmächtigtensachen beim Oberlandesgericht zuständig. In dritter und letzter Instanz entscheidet dann der Senat für Steuerberater- und Steuerbevollmächtigtensachen beim Bundesgerichtshof, der aber insoweit nicht am Sitz des Bundesgerichtshofs in Karlsruhe, sondern in der Außenstelle Leipzig tagt. Für Wirtschaftsprüfer gilt nach der Wirtschaftsprüferordnung ein entsprechender dreiteiliger Instanzenzug.

In Nordrhein-Westfalen besteht neben den beiden bereits erwähnten erstinstanzlichen Berufsgerichten für Heilberufe in Köln und Münster als Rechtsmittelinstanz ein Landesberufsgericht für Heilberufe beim Oberverwaltungsgericht in Münster. Für Architekten und Stadtplaner gibt es als Eingangsinstanz das Berufsgericht für „Architekten, Architektinnen, Stadtplaner und Stadtplanerinnen“ beim Verwaltungsgericht in Düsseldorf und als Rechtsmittelgericht ein ebensolches Landesberufsgericht in Münster. Um die nordrhein-westfälischen Rechtsanwälte kümmern sich in Disziplinarsachen in erster Instanz die drei Anwaltsgerichte in Düsseldorf, Hamm und Köln. Als landesweit zuständige Rechtsmittelinstanz fungiert hier der Anwaltsgerichtshof in Hamm. Darüber fungiert für bestimmte Verfahren als weitere und letzte Rechtsmittelinstanz mit bundesweiter Zuständigkeit der Senat für Anwaltssachen beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe, der auch in Karlsruhe selbst tagt.

Charakteristisch für alle genannten Berufsgerichtsbarkeiten ist des weiteren, dass in deren Spruchkörpern der verschiedenen Instanzen stets Berufsträger aus dem Beruf des Beschuldigten mitwirken. Die Berufe, deren Berufsträger nicht Volljuristen sind und deshalb nicht die Befähigung zum Richteramt besitzen, wirken als nichtrichterliche Beisitzer an der Entscheidungsfindung der Berufsgerichte mit. Die Berufsgerichte für Heilberufe in Nordrhein-Westfalen verhandeln und entscheiden zum Beispiel in Kammern, die immer mit einem Berufsrichter als Vorsitzendem und zwei Berufsangehörigen aus dem Beruf des Beschuldigten als Beisitzer besetzt sind. Die Berufsträger können somit den Berufsrichter im Einzelfall durchaus überstimmen und sich mit ihrer Einschätzung des Falles durchsetzen.

In der Anwaltsgerichtsbarkeit sind die Mitglieder der Spruchkammern der erstinstanzlichen Anwaltsgerichte allesamt Anwälte, weil jeder Anwalt mit Ablegung des zweiten Staatsexamens gleichzeitig die Befähigung zum Richteramt erlangt. Berufsrichter wirken in der Anwaltsgerichtsbarkeit erst in den Rechtsmittelinstanzen mit. Mit ihrer juristischen Qualifikation hängt es zusammen, dass die Anwaltsrichter kraft gesetzlicher Anordnung während der Dauer ihres Amtes die vollwertige Stellung eines Berufsrichters innehaben (§ 95 Absatz 1 Satz 2 Bundesrechtsanwaltsordnung) mit dem einzigen Unterschied, dass es sich um ein ehrenamtliches Richterverhältnis handelt.

III. Aufgaben und Verfahrensgrundsätze der Berufsgerichtsbarkeiten

Die Aufgaben der Berufsgerichte lassen sich im wesentlichen in zwei verschiedene Bereiche untergliedern. Zum einen können Berufsgerichte zuständig sein für die richterliche Nachprüfung von berufsspezifischen Verwaltungsentscheidungen. Hierunter fallen beispielsweise Zulassungsangelegenheiten wie der Widerruf der Zulassung eines Rechtsanwalts wegen Vermögensverfalls oder auch Fachanwaltsangelegenheiten. Der Sache nach nehmen die Berufsgerichte hierbei Aufgaben der Verwaltungsgerichtsbarkeit wahr. Zum anderen ahnden Berufsgerichte durch Verhängung disziplinarischer Maßnahmen das Fehlverhalten von Berufsangehörigen, das mit dem Ansehen ihres Berufes nicht vereinbar ist.

In allen einschlägigen Gesetzen finden sich Generalklauseln, welche die Berufsgerichte ermächtigen, die Verletzung beruflicher Pflichten durch Verhängung disziplinarischer Maßnahmen zu ahnden. Im Heilberufsgesetz NRW heißt es dazu in § 59: „Kammerangehörige, die ihre Berufspflichten verletzen, unterliegen der Berufsgerichtsbarkeit“. Präziser formuliert die Bundesrechtsanwaltsordnung in § 113: „Gegen einen Rechtsanwalt, der schuldhaft gegen Pflichten verstößt, die in diesem Gesetz oder in der Berufsordnung bestimmt sind, wird eine anwaltsgerichtliche Maßnahme verhängt“.

Die in berufsgerichtlichen Verfahren zur Ahndung von Berufspflichtverletzungen zulässigen Maßnahmen stehen nicht im freien Ermessen des Gerichts, sondern sind verbindlich und abschließend in Maßnahmenkatalogen geregelt. Andere als die dort aufgelisteten Sanktionen dürfen von den Gerichten nicht verhängt werden. Dabei ähneln sich die Maßnahmenkataloge für die verschiedenen Berufe. Für die nordrhein-westfälischen Ärzte, Apotheker, Psychotherapeuten, Tierärzte und Zahnärzte bestimmt § 60 des Heilberufsgesetzes NRW, dass im berufsgerichtlichen Verfahren erkannt werden kann auf:

  1. Warnung,
  2. Verweis,
  3. Entziehung des passiven Berufswahlrechts,
  4. Geldbuße bis zu 50.000 Euro oder
  5. als einschneidendste Maßnahme die Feststellung der Unwürdigkeit zur Ausübung des Berufs.

Den Architekten und Stadtplanern in Nordrhein-Westfalen drohen bei beruflichem Fehlverhalten nach § 52 Absatz 2 des Baukammerngesetzes:

  1. ein Verweis,
  2. eine Geldbuße bis zu 50.000 Euro,
  3. der Verlust von Ämtern in der Architektenkammer und der Verlust der Fähigkeit, dort künftig Ämter zu bekleiden,
  4. die Aberkennung des Wahlrechts zu den Organen der Architektenkammer und schließlich
  5. als schärfste Maßnahme die Löschung der Eintragung in der Architektenliste.

Nicht viel anders ergeht es pflichtvergessenen Rechtsanwälten und zwar bundesweit. Ihnen drohen als anwaltsgerichtliche Maßnahmen, wiederum gestaffelt nach der Schwere der Sanktion:

  1. eine Warnung,
  2. ein Verweis,
  3. eine Geldbuße bis zu 25.000 Euro,
  4. das Verbot, auf bestimmten Rechtsgebieten für die Dauer von einem Jahr bis zu fünf Jahren beruflich tätig zu werden, und schließlich
  5. als ultima ratio die Ausschließung aus der Rechtsanwaltschaft.

Die Verfahrensgrundsätze für die Tätigkeit der unterschiedlichen Berufsgerichte ähneln sich ebenfalls wie die disziplinarischen Maßnahmenkataloge. Berechtigt zur Stellung eines Antrags auf Eröffnung eines berufsgerichtlichen Verfahrens sind zumeist die Kammern und für einige Berufsgruppen auch die für sie zuständigen Aufsichtsbehörden. In Nordrhein-Westfalen kann jeder Arzt, Apotheker, Zahnarzt usw. außerdem die Eröffnung eines berufsgerichtlichen Verfahrens gegen sich selbst beantragen, um sich von dem Verdacht eines Berufsvergehens „zu reinigen“ (vgl. § 71 Absatz 2 Heilberufsgesetz NRW). Bundesweit können auch alle Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer bei der zuständigen Staatsanwaltschaft die Einleitung eines berufsgerichtlichen Verfahrens gegen sich selbst beantragen mit dem Ziel der Reinigung von einem entsprechenden Verdacht.

Im eröffneten berufsgerichtlichen Verfahren haben die Angehörigen aller Berufe das unentziehbare Recht, sich in jeder Lage des Verfahrens eines selbst ausgewählten Rechtsanwalts ihres Vertrauens als Verteidiger zu bedienen. Die Hinzuziehung eines weiteren Rechtsanwalts als Verteidiger empfiehlt sich sogar im anwaltsgerichtlichen Verfahren, wo der Angeschuldigte ja immer zugleich auch selbst praktizierender Anwalt ist. Denn in vielen anwaltsgerichtlichen Verfahren kann man sich von der Richtigkeit des alten englischen Sprichworts überzeugen, dass „ein Anwalt, der sich selbst vertritt, einen Esel zum Mandanten hat.“ Für andere, nicht rechtskundige Berufsgruppen ist die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts als Verteidiger im berufsgerichtlichen Disziplinarverfahren erst Recht sinnvoll und geboten.

Ein praktisch relevanter Verfahrensgrundsatz in allen berufsgerichtlichen Disziplinarverfahren ist des weiteren der Vorrang des strafrechtlichen Verfahrens. Dies bedeutet, dass bei Anhängigkeit eines strafrechtlichen Verfahrens wegen desselben Sachverhalts, der auch den Verdacht einer Berufspflichtverletzung begründet, das berufsgerichtliche Verfahren zwar eröffnet werden darf, aber bis zur rechtskräftigen Beendigung des strafgerichtlichen Verfahrens zwingend ausgesetzt werden muss. Grund hierfür sind unter anderem die besseren Erkenntnismöglichkeiten im strafrechtlichen Verfahren. Es ist deshalb zweckmäßig, dass in derartigen Fällen immer erst das Ergebnis des Strafverfahrens abgewartet wird, bevor die Bewertung desselben Sachverhalts durch das zuständige Berufsgericht beginnen kann.

Regelmäßig treffen die Berufsgerichte ihre Entscheidung, ob und mit welcher Disziplinarmaßnahme eine Berufspflichtverletzung geahndet werden muss, auf Grundlage einer mündlichen Hauptverhandlung. Zur Hauptverhandlung werden Beschuldigter, Rechtsbeistand, Zeugen und Sachverständige persönlich vor das Gericht geladen. Die Hauptverhandlungen sind im Normalfall nur „berufsöffentlich“. Die allgemeine Öffentlichkeit darf somit nicht als Zuhörer daran teilnehmen, sondern nur die dem Beruf angehörigen Berufsträger des jeweiligen Kammerbezirks. Das auf die Hauptverhandlung und die sich anschließende interne Beratung des Berufsgerichts folgende Urteil darf dann ausschließlich auf diejenigen Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, die auch Gegenstand der Hauptverhandlung waren. Eine Entscheidung lediglich „nach Aktenlage“ im schriftlichen Verfahren ohne Durchführung einer Hauptverhandlung ist hingegen entweder überhaupt nicht vorgesehen oder für einige Berufsgruppen nur bei Bagatellverstößen zulässig. Beispielsweise lässt
§ 83 Heilberufsgesetz NRW ein schriftliches Verfahren zu, falls in leichteren Fällen lediglich eine Warnung, ein Verweis oder eine Geldbuße bis zu 10.000 Euro gegen den beschuldigten Arzt, Apotheker oder Zahnarzt ausgesprochen werden soll.

Soweit die einschlägigen Gesetze für bestimmte Verfahrensfragen keine eigenen, berufsrechtsspezifischen Verfahrensgrundsätze normieren, verweisen sie zumeist ergänzend auf die Vorschriften der Strafprozeßordnung (StPO). Aus der ergänzenden Anwendbarkeit der StPO ergibt sich die für die berufsgerichtliche Praxis wichtige Konsequenz, dass das Berufsgericht ein bereits eröffnetes Verfahren noch in der Hauptverhandlung mit Zustimmung der Anklagebehörde und des Angeschuldigten gemäß § 153 a StPO gegen eine Geldauflage einstellen kann, falls nach dem bisherigen Ergebnis des Verfahrens von einer nur geringen Schuld des Angeschuldigten auszugehen ist. Bei den Berufsgerichten wird auf diese Art eine Vielzahl von Fällen erledigt, ohne dass ein Urteil gesprochen werden muss. Für den Angeschuldigten liegt der Vorteil einer solchen Einstellung gegen Geldauflage darin, dass er dann weiterhin nicht als berufsrechtlich vorbelastet gilt.

Gegen die berufsgerichtlichen Urteile der ersten Instanz sind dann stets Rechtsmittel zulässig, durch welche die schon angesprochenen Rechtsmittelinstanzen der verschiedenen Berufsgerichtsbarkeiten eröffnet werden. Das entspricht begrüßenswerten rechtsstaatlichen Grundsätzen.

IV. Bewertung der Berufsgerichtsbarkeiten

Die heutige Struktur und Arbeitsweise der verschiedenen Berufsgerichtsbarkeiten in Deutschland kann man durchaus als funktionierenden und wichtigen Teil unserer Rechtskultur bewerten. Die Beteiligung der Berufsangehörigen auf allen Ebenen der jeweiligen Berufsgerichtsbarkeiten sorgt dafür, dass der profunde berufliche Sachverstand und vor allem auch die persönliche Kenntnis der praktischen Berufsausübung angemessen in die berufsgerichtlichen Entscheidungen einfließen können. Das erscheint deutlich vorzugswürdig gegenüber einem – ebenfalls denkbaren – System, in dem allein juristisch ausgebildete Berufsrichter über Freiberufler in Fällen zu Gericht sitzen, in denen es um die Bewertung typischen beruflichen Verhaltens bzw. Fehlverhaltens geht. Für den betroffenen Freiberufler wichtig ist in jedem Fall, dass er sich im Verfahren bei dem für ihn zuständigen Berufsgericht durch einen berufsrechtlich versierten Rechtsanwalt anwaltlich vertreten lässt.

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